Ein
Sieben-Tage-Ritt durch Südirland: Das schien meiner
Frau und mir der richtige Prospekt, der uns Ende September
die sprach. Vierzig Kilometer pro Tag, Unterkunft
in kleinen Hotels und jede Nacht an einem anderen Ort,
gute, gesunde Pferde und ein erfahrener Führer.
Hier wurde kein Pony-Treck geboten, sondern ein Querfeldeinritt
von Kilarney durch die Grafschaft Kerry, die südwestliche
Ecke von Irland, und über die Pässe des Ballagasheen
Gebirges, dessen Gipfel so bedeutsame Namen wie
Windy Gap (Windige Spalte) und Devils Elbow (Teufelsellbogen)
haben. Und dazwischen an zwei Tagen hinunter an
die Atlantikküste, wo man an einsamen Stränden
sechs Kilometer lang galoppieren kann. Sollten wir
unsere eigenen Sättel mitnehmen? Zaumzeug?
Satteltasche? Nicht nötig, hieß es, es
sei alles vorhanden. Die einzige diskrete Empfehlung
betraf leichte, gut zu verstauende, lange, gummierte Reitmäntel
sowie natürlich Stiefel und Reitkappen. Wer
das irische Wetter kennt, wird das verstehen. In
Kerry gibt es dafür eine Redensart: Vier Jahreszeiten
an einem Tag: Sonne, Regenschauer, einen heftigen, kühlen
Wind, dann wieder Wärme und Regenbogen.
Schönes,
herrliches Irland mit seinen urwüchsigen, menschenleeren
Landstrichen, den winzigen Steinhütten, den Torffeuern
und seinen höflichen, netten Bewohnern! Die
Küste von Irland wird vom Golfstrom liebkost - daher
die üppige Vegetation und sogar Palmen am Strand.
Die
Reitställe in Killarney werden von Donie O' Sullivan,
seiner Frau und seiner Familie gemanagt. Wir kamen
an einem Sonntag abend an. Die Unterbringung bei
den Ställen war bequem mit modernen Doppelzimmern,
Hausmannskost und aus den meisten Zimmern einem Blick
auf grasende Pferde. Die O'Sullivans besitzen etwa
30 Pferde, von denen sich je nach Saison und Bedarf immer
einige erholen, während die anderen unterwegs sind.
Wer möchte, kann auch nur ein verlängertes Wochenende
reiten (von Oktober bis Juni) - oder nur zwei Tage (zwei
Übernachtungen; das ganze Jahr über). Der Montag,
unser erster Tag, begann mit einer, was man höflich
"Eingruppierung" nannte, das heißt mit der Wahl
der Pferde für die einzelnen Reiter. Natürlich
ging man davon aus, daß sich vernünftigerweise
niemand solche Ferien aussucht, der nicht zumindest alle
Gangarten reiten kann. Obwohl man, wie uns die O'Sullivans
versicherten, auch besondere Rücksicht auf nervöse
Reiter nimmt und alle Ritte von erfahrenan Führern
begleitet werden.
Doney
O'Sullivans kleine, gedrungene Pferde, seine Ponys und
seine Jagdpferde sind glückliche Geschöpfe,
und ein Pfiff ruft sie von den entferntesten Feldern herbei.
Die Nacht verbringen sie im Stall. Der Hufschmied kommt
jede Woche, und der Raum mit dem Zaumzeug und den Zügeln
glänzt nur so vor Sauberkeit.
Unsere
Gruppe war nur klein - meine Frau und ich, eine junge
Dame aus Kanada, die, wie sie uns sagte, meher an den
Western Stil gewöhnt war, und ein Reiter reiferen
Alters aus London. Drei Stunden lang ritten wir unter
den wachsamen Augen von Les, einem ehemaligen Rennjockey,
der uns im Schritt, Trab, Handgalopp und schließlich
auf dem Heimweg im langen Galopp reiten ließ, bis
zum Kilarney Nationalpark.
Mein
eigenes Pferd hatte ich am Abend vorher schon bei einem
privaten Gang durch die Ställe gesehen.
"Bloß
nicht den", sagte ich beklommen zu meiner Frau. Ich bin
groß, und der kastanienbraune, 1,70 Meter große
Wallach hatte die Ohren zurückgelegt, sein Gesicht
verzogen und sogar versucht, mich im Vorübergehen
am Ärmel zu zupfen. Aber wie es immer so ist - Sidney
wurde am nächsten Tag natürlich für mich
aus dem Stall geführt. Sobald er jedoch gesattelt
war, erwies er sich, nur mit Trense und ohne Nasenriemen,
als ein Pferd, wie man es sich freundlicher und sensibler
kaum wünschen kann. Aber den Gebirgspfaden bergabwärts
mit ihren rollenden Steinen und den unterschiedlichen
Gangarten ging er sehr vorsichtig. Bergaufwärts trug
er mein Gewicht ohne Klagen und wartete geduldig angebunden,
während wir jeden Mittag unser Lunch verzehrten -
an Stellen, von denen eine die andere an Schönheit
übertraf (einige lagen so ungeschützt, daß
sie geradezu danach verlangten, daß man den Flachmann
des Jägers aus der Tasche zog). Während
des Galopps entland des Atlantik mit seinen weit entfernten
Brechern und den so erstaunlick menschenleeren, weißen
Sanstränden konnte Sidney nicht mit dem Araber meiner
frau mithalten, lief aber sicker und stetig. Unsere
Fürerin war Mrs. Hazel O'Connell, die jahrelang mit
dem verstorbenen, international berühmten Captain
Edy Goldman zusammengearbeitet hatte. Mit großem
Taktgefühl enthielt sie sich jeglicher Belehrungen
and riet uns nur, die Pferde aus den Tordfmooren herauszuhalten
und zeige uns, wie nahm sie während der Mittagspausen
richtig anband oder abends in den Stall brachte und striegelte.

Unterwegs
war sie ein unerscöpflicher Quell einheimischer Folklore
and Geschichten war voll irischen Humors und Reiterweisheiten
und wußte immer, wo man am besten halt machte, damit
auch diejeniegen, die Lust auf einen Guinness-Frühschoppen
verspürten, auf ihre Kosten kamen.
Das
Gepäck wurde separat von einer Unterkunft zur anderen
befördert. Das Frühstück in Irland
ist eine wahre kulinarische Leistung, so daß wir
jeden Tag fit für die Herausforderungen waren, die
uns erwarteten. Von Kilorglin, mit phantastischen
Ausblicken auf den Caragh See, führte uns ein Pfad
nach Glenbeigh. Von Rossbeig Beach ging es im Galopp
zum Coosmasaharn See, der von einem großartigen,
wie ein Hufeisen geformten Berg umgeben ist, und am nächsten
Tag ritten wir nach Glencar, wo uns erneut eine herrliche
Gebirgs- und Seenlandschaft geboten wurde. Scheließlich
erreichten wir über den Ballaghasheen Paß weit
unten an der Küste Waterville. Wir erfuhren,
daß das Waterville Hotel der Lieblingsort von Charlie
Chaplin war, an den er sich in den letzten Jahren seines
Lebens gerne mit seiner Familie zurückzog.

Und
dann war es leider auch schon wieder Sonntag, unser letzter
Tag, an dem Pferde und Reiter getrennt im Kombiwagen zurück
nach Killarney verfrachtet wurden.
Und
wie kommt man hin? Mit der Autofähre von Fishguard
in Großbritannien bis Rosslare in dreieinhalb Stunden
auf einem skandinavischen Tragflügelboot oder mit
dem Flugzeug zu den Flughäfen Crok oder Shannon,
wo man vom Reitveranstalter abgeholt wird.
Die
Abholung vom Kerry County Flughafen, der jetzt täglich
mit Aer Lingus von Dublin und London Heathrow aus angeflogen
wird, erfolgt kostenlos.
Zum
Schluß noch ein irisches Sprichwort, das mir besonders
gut gefallen hat: Wenn Gott das Pferd nicht erfunden hätte,
hätten es die Iren für ihn getan.
Killarney Riding Stables,
Ballydowney,
Killarney,
Co. Kerry,
Ireland.